Zwölf Karten zur Sozialstruktur der 39 Chemnitzer Stadtteile – Teil I (Karten 1 bis 6)

Zusammen mit STADTTEILKARTEN CHEMNITZ, dem Kartenportal von CHEMNITZ in ZAHLEN, wollen wir Gästen des Kulturhauptstadtjahres 2025 die Stadt Chemnitz abseits von touristischen Sehenswürdigkeiten näherbringen. Warum sieht die Stadt baulich so aus, wie sie aussieht? Wie ist die Bevölkerungs- und Sozialstruktur? Wie ist die demographische Situation? Wie hat sich die Stadt in den letzten Jahren entwickelt. Wie unterscheiden sich die Stadtteile?

 

Tauchen Sie ein in die Stadt- und Sozialstruktur von Chemnitz, der mit 250.000 Einwohnern (Daten zur Gesamtstadt) nach Berlin, Leipzig und Dresden viertgrößten Stadt Ostdeutschlands. Auf Basis von 12 Karten präsentieren wir Ihnen die Stadt und ihre Stadtteile, erklären das ostdeutsche Element und zeigen, wie sich die Stadt in den letzten Jahren verändert hat.


1. Wo wohnen eigentlich die meisten Leute?

Zum Warmwerden die Einwohnerzahlen der Stadtteile: die größten und bevölkerungsstärksten Stadtteile sind der Kaßberg (18.400), der Sonnenberg (16.600) und das Zentrum (15.400, Stand jeweils 31.12.2022). Es folgen Gablenz (15.100), Bernsdorf (14.100) und Schloßchemnitz (13.900). Somit wohnt mehr als jeder dritte Chemnitzer in einen dieser sechs Stadtteile.

Addiert man die Einwohnerzahlen des Zentrums und alle acht angrenzenden Stadtteile, so leben mehr als 102.000 Einwohner (41 % aller Chemnitzer) im Zentrum bzw. unmittelbar daran angrenzend.

Im Süden von Chemnitz befindet sich mit dem ehemaligen Fritz-Heckert-Gebiet das größte Chemnitzer Plattenbaugebiet. In seinen fünf Stadtteilen (Kappel, Helbersdorf, Morgenleite, Hutholz, Markersdorf) wohnen heute noch ca. 36.000 Menschen.

Richtung Stadtaußengrenzen werden die Bevölkerungsstrukturen schon „suburbaner“. Die wohl bekanntesten Chemnitzer Eigenheimstandorte sind Adelsberg (6.500 Einwohner) und Rabenstein (4.900 Einwohner). Acht Stadtteile wurden nach 1990 eingemeindet. In Wittgensdorf, Röhrsdorf, Grüna, Mittelbach (Nordwesten von Chemnitz) und in Euba, Kleinolbersdorf-Altenhain, Einsiedel, Klaffenbach (Südosten von Chemnitz) wohnen zusammen 24.000 Menschen – diese Stadtteile machen mehr als 40 % der Stadtfläche von Chemnitz aus (90 km² der 220 km²).

Im Chemnitzer Westen - auf Höhe der Stadtteile Reichenbrand, Siegmar, Schönau entlang der Zwickauer Straße - befand sich die Kleinstadt Siegmar-Schönau. Diese wurde 1950 eingemeindet, weist aber durch ihre eigene Geschichte noch heute sichtbare kleinstädtische Strukturen auf.


2. Wie ist der Altersdurchschnitt in den Stadtteilen?

Der demographische Wandel hat die Stadt fest im Griff – rechnerisch verzeichnet Chemnitz doppelt so viele Sterbefälle wie Geburten, entsprechend hoch ist der Altersdurchschnitt in der Stadt. Dies ist jedoch nicht der Tatsache geschuldet, dass die Chemnitzerinnen wenig Kinder bekommen, sondern dem Umstand, dass die Stadt in den 1990er Jahren einen Geburtenknick sowie starken Wegzug der jungen Generation erlebte. Die Verhältnisse haben sich längst beruhigt, aber die Einflüsse von vor 30 Jahren wirken heute noch immer nach. Sichtbar wird dies am Altersdurchschnitt in den Stadtteilen. Im Kernstadtbereich rund um das Zentrum – allesamt Stadtteile mit Zuzug von vor allem ausländischer Bevölkerung in den letzten Jahren – liegt das Durchschnittsalter um die 40 Jahre und damit leicht unter dem Chemnitzer Mittelwert von 46 Jahren. Überall dort, wo der Zuzug ausblieb und sich die normalen ostdeutschen Bevölkerungsstrukturen fortsetzten, ist das Durchschnittsalter signifikant höher. Sichtbar wird das am Stadtrand (46-50 Jahre), wo hohe Eigentumsquoten und ältere Haushalte (die Kinder sind längst ausgezogen, wenig Mietwohnungen, wenig Bevölkerungsmobilität) die Stadtteile prägen, oder in Stadtteilen mit viel DDR-Plattenbausubstanz (z. B. Gablenz, Yorckgebiet, Kapellenberg, Altendorf, Siegmar, Heckert-Gebiet-Stadtteile Helbersdorf, Morgenleite, Markersdorf, Hutholz). Hier wohnen überdurchschnittlich viele Rentner, teilweise sind diese schon mit Fertigstellung der Wohngebäude in den 1960-1980er Jahren eingezogen und immer im Stadtteil wohnhaft geblieben. Auch hier sind deren Kinder weggezogen, sei es in die gründerzeitliche Kernstadt oder der Arbeit wegen in andere Städte. Diese Stadtteile haben allesamt geringe Geburtenzahlen, vergleichsweise wenig Zuzug und können deshalb aus eigener Kraft ihre Altersstruktur nicht (mehr) ändern.



3. Wo leben die meisten Ausländer?

Chemnitz hat in den letzten 10 Jahren seine Ausländerzahl ungefähr vervierfacht. Vom Startpunkt 2012 mit 8.400 Ausländern in der Stadt erhöhte sich der Wert auf ca. 33.000 im Jahr 2023. Als stärkste Wachstumsjahre erwiesen sich 2015/2016 (Syrien) und das Jahr 2022 (Ukraine). Die Geflüchteten aus beiden Ländern wurden dabei stark ungleich im Stadtgebiet verteilt – naturgemäß in Mietwohnungen, die von der GGG (Chemnitz´ kommunale Wohnungsgesellschaft mit 24.000 Wohnungen) bewirtschaftet werden oder auf dem freien Wohnungsmarkt günstig anmietbar waren. Diese Logik führte dazu, dass in einigen Stadtteilen der Ausländeranteil massiv anstieg, während am Stadtrand (wo aufgrund der vielen Einfamilienhäuser vergleichsweise wenig günstiger Mietwohnungsraum zur Verfügung steht) relativ wenig passiert ist. So verzeichnete der Stadtteil Zentrum im Mai 2023 einen Ausländeranteil von 40 %, während der Stadtteil Rottluff – Luftlinie nicht mal 4 km entfernt – weiterhin bei 1 % stagniert. Der Chemnitzer Stadtrand weist im Schnitt 1 bis 2 % Ausländeranteile auf, während der Stadtkern von 12 % (Kaßberg) über 14 % (Schloßchemnitz) und 26 % (Sonnenberg) bis hin zu 40 % (Zentrum) ganz unterschiedliche Zahlen kennt. Das Zentrum erlebte dabei den stärksten Zuwachs an ausländischer Bevölkerung: ihr Anteil verfünffachte sich von ausgehend 8 % im Jahr 2010 binnen 12 Jahren.

Für Ortsfremde teilweise überraschend: Im Chemnitzer Süden in den Stadtteilen des Fritz-Heckert-Gebiets lagen die Ausländeranteile – trotz vieler freier und preisgünstiger Mietwohnungen – immer nur auf Höhe des gesamtstädtischen Ausländeranteils. Dies änderte sich mit der Vielzahl der ukrainischen Geflüchteten, für die die Plattenbausubstanz eine aus der Heimat bekannte Wohngebäudeform ist.

 


4. Wie ist die Bausubstanz in den Stadtteilen?

Stichwort Bausubstanz: In Chemnitz existieren laut Wohngebäuderegister knapp 158.000 Wohnungen, von denen 71.000 (45 %) vor 1949, 63.000 zu DDR-Zeiten (40 %) und 23.000 (15 %) nach der Wiedervereinigung gebaut wurden. Das städtebauliche Erscheinungsbild von Chemnitz ist nur vor dem Hintergrund der starken Industrialisierung des frühen 20. Jahrhunderts (infolge dessen starker Bevölkerungszuwachs), den Einwirkungen des 2. Weltkrieges, der darauffolgenden Phase des DDR-Wohnungsbaus und den teilweise widersprüchlichen Folgen der Nachwendephase (Neubau bzw. Suburbanisierung und Rückbau/Abriss zugleich) zu verstehen.

43.000 der heute in Chemnitz existierenden Wohnungen wurden vor 1918 erbaut. Zumeist handelt es sich um gründerzeitliche Altbauten, die sich im Kern der Stadt Chemnitz bündeln. Die größten Gründerzeitstandorte in Chemnitz sind der Kaßberg, der Sonnenberg und Schloßchemnitz. Dazu kommen 28.000 aus der Zwischenkriegszeit, darunter teilweise genossenschaftlicher Wohnungsbau als Gegenentwurf zu den „Mietskasernen“. Tendenziell sind diese an den äußeren Rändern der Gründerzeitstrukturen zu finden. Chemnitz wuchs zwischen 1880 und 1930 von 85.000 Einwohnern über 206.000 (1900) auf 360.000.

Die Innenstadt (und damit viele historische Gebäude des Zentrums) wurde 1945 mehr oder weniger komplett zerstört. Der DDR-Wohnungsbau hat anschließend versucht, die Lücken zu Beginn kleinteilig zu schließen (offene Blockstrukturen mit Ergänzungsbebauung; früher DDR-Wohnungsbau bis Mitte der 1960er Jahre) und später ab ca. 1965 bis 1990 großflächiger Wohnungen in industrieller Plattenbauweise zu errichten. Stadtteile mit großen Plattenbau-Beständen sind das Fritz-Heckert-Gebiet, aber auch das Yorckgebiet oder Teile von Gablenz.

Nach 1990 wurden vornehmlich Eigenheime am Stadtrand errichtet sowie Lückenbebauung in den kernstädtischen Stadtteilen vorgenommen.



5. Wie haben sich die Einwohnerzahlen in den Stadtteilen entwickelt?

Statistiken über die Bevölkerungsentwicklungen sind immer ein zweischneidiges Schwert. Je nach gewähltem Ausgangs- und Endwert hat man relativ viel Spielraum, kann sich die Realität bauen, wie man sie braucht. Folgendes daher als Vorab-Information: Chemnitz hat vor allem in den 1990er Jahren viele Einwohner verloren, befindet sich aber seit Anfang der 2000er Jahre wieder auf einem stabilen Kurs. Zwischen 2002 und 2022 lag die Bevölkerungszahl immer in der Spanne von 240.000 bis 249.000 Einwohnern. Durch Zuzug vor allem aus dem Ausland ist die Bevölkerungszahl in den letzten 10 Jahren sogar wieder leicht gestiegen (2012: 241.000 | 2022: 249.000). Vor allem die Geflüchteten aus der Ukraine und Syrien haben die Stadt etwas wachsen lassen, entsprechend wuchsen vor allem innerstädtische Stadtteile. Das Zentrum legte mit +33 % am meisten zu (hier spielte aber nicht nur Zuzug aus dem Ausland, sondern auch die Sanierung des Brühls eine Rolle), gefolgt vom Sonnenberg und vom Lutherviertel. Rabenstein und Adelsberg konnten vom Bauboom profitieren und erhielten neue Bewohner in ausgewiesenen Eigenheimgebieten. In allen anderen Randstadtteilen, vor allem dort, wo wenig neu gebaut wurde, schrumpfte die Stadt minimal. Im Kern kann die Bevölkerungsentwicklung von Chemnitz als eine schleichende Re-Urbanisierung beschrieben werden. Die Kernstadt füllt sich bzw. verdichtet sich wieder, während sich der suburbane Rand und das im Süden befindliche Fritz-Heckert-Plattenbaugebiet leicht leeren. Ob sich diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren so fortsetzten wird, steht dabei auf einem anderen Blatt Papier. Wie heißt es so schön: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.


6. Wie wählen die Stadtteile?

Ostdeutsches und sächsisches Wahlverhalten unterscheidet sich klassischerweise recht deutlich von bundesdeutschen Gesamtwerten. Die Wahlbeteiligung liegt zumeist etwas unter dem Gesamtmittelwert, die Ergebnisse der Parteien an den politischen Rändern (AfD, LINKE) sind deutlich höher. Spätestens mit der Bundestagswahl 2021 haben sich jedoch traditionelle Erwartungen über Wahlausgänge in Chemnitz als obsolet erwiesen. Hier holte überraschend die SPD sowohl die meisten Zweitstimmen als auch das Direktmandat. Bei der Landtagswahl zuvor hatte die CDU vor der AfD gewonnen, bei der Europawahl erzielte die AfD die meisten Stimmen, während die OB-Wahl 2020 von SPD-Mann Sven Schulze deutlich vor der CDU-Kandidatin A. Patt gewonnen wurde (der AfD-Kandidat landete nur auf Rang 5). Bei den Stadtratswahlen wiederum erzielte keine Partei mehr als 20 % der Stimmen. Kurzum: die Ergebnisse sind recht heterogen, alle Parteien des kompletten politischen Spektrums haben ihre Wähler. Betrachtet man die Wahlergebnisse auf Stadtteil-Ebene, so neigt der Stadtrand im Mittel eher in Richtung CDU/AfD, während kernstädtisch bunter gewählt wird. Einige Wahlbezirke werden von den GRÜNEN gewonnen, bei der OB-Wahl gewann LINKEN-Kandidatin S. Schaper im 1. Wahlgang sogar einige Stadtteile.


Teil 2 des Blog-Artikels beantwortet folgende Fragen:

  • 7. Wo ziehen Leute hin, die in Chemnitz ankommen?
  • 8. Wie ist die soziale Situation in den Stadtteilen?
  • 9. Wo leben die jungen (ungebundenen) Leute?
  • 10. Wie ist die Kriminalität in den Stadtteilen?
  • 11. Welche Altersgruppen dominieren in den Stadtteilen?
  • 12. Wo sind die ukrainischen Staatsbürger untergekommen?

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