Chemnitz - "Territoriale Betrachtungen" zur Größe der Stadt

Chemnitz ist mit seinen 221 km² Grundfläche eine relativ große Stadt. Die Stadt ist durch die Eingemeindungen in den 1990er Jahren territorial stark gewachsen (Zuwachs von 90 km²) und erreicht dadurch eine Ost-West-Ausprägung von rund 22 Kilometern und eine Nord-Süd-Ausdehnung von rund 18 Kilometern.

Wie wird die Fläche genutzt?

Mit den Eingemeindungen der acht Ortsteile Grüna, Mittelbach, Röhrsdorf, Wittgensdorf, Euba, Kleinolbersdorf-Altenhain, Einsiedel und Klaffenbach hat sich der Charakter der Flächennutzung auf dem Stadtgebiet deutlich verschoben. Die 221 km² Stadtfläche werden wie folgt genutzt:

  •  rund 80 km² als Siedlungsfläche (darunter 35 km² Wohnbaufläche / 18 km² Industrie- und Gewerbefläche und 20 km² Sport-, Freizeit und Erholungsfläche)
  •  rund 20 km² als Verkehrsfläche (darunter 17 km² Straßen, Wege, Plätze)
  •  rund 118 km² Vegetation (darunter 82 km² Landwirtschaftsflächen und 32 km² Waldflächen)
  •  rund 2 km² Gewässerflächen

Siedlungs- und Verkehrsflächen, die klassischerweise das Bild einer Großstadt prägen, machen somit zusammen 100 km² und damit nur 45 % des kommunalen Territoriums von Chemnitz aus. In einem nicht unerheblichen Teil - territorial betrachtet - der Stadt dominieren jedoch land- und forstwirtschaftliche Flächen das Stadt(teil)bild. Chemnitz ist somit "relativ viel Fläche für wenig Stadt".

Knapp 181.000 der 251.000 Einwohner von Chemnitz (Stand 09/2023) wohnen auf einer Fläche von gerade einmal 53 km². Hierin enthalten sind alle Stadtteile mit einer Bevölkerungsdichte von mehr als 1.000 Einwohner je Quadratkilometer; insgesamt 19 Stadtteile). Alle weiteren 20 Stadtteile (darunter sogar mit Hilbersdorf ein innerstädtisches Teilgebiet) umfassen 168 km² und weisen nur noch knapp 70.000 Einwohner auf. Addiert mal alle Stadtteile in Chemnitz mit einer Bevölkerungsdichte von weniger als 500 EW je km², so erhält man eine Fläche von 114 km² und eine Bewohnerzahl von rund 33.000 Menschen.



Welche Folgen hat das?

Einhergehend mit der unterschiedlichen Flächennutzung bzw. Bebauung in den Stadtteilen gehen verschiedenste Lebensrealitäten einher, die sich in einem ersten Schritt über die Bevölkerungsdichte in den Teilgebieten abbilden lassen. Bei einer gesamtstädtischen Einwohnerdichte von 1.135 Menschen je Quadratkilometer lassen sich auf einen Seite Stadtgebiete mit Bevölkerungsdichten von 8.000 bis 9.000 feststellen (Kaßberg, Sonnenberg, Lutherviertel), auf der anderen Seite Ortsteile mit niedrig dreistelligen Werten wie Euba, Kleinolbersdorf-Altenhain.

Daraus folgert sich, dass Chemnitz mehr als nur eine Großstadt ist, sondern auf seinem Stadtgebiet ländlich-dörfliche bzw. kleinstädtisch-suburbane Strukturen aufweist, die immer mitgedacht werden müssen. Der Stadtrat steht vor der Herausforderung, unterschiedlichste Interessen immer unter einen Hut bringen zu müssen. In der Praxis zeigen sich einerseits großstädtische Herausforderungen, die aus dem dichten Zusammenleben verschiedener Menschen resultieren, andererseits Probleme des dünn besiedelten Umlandes (z. B. Busverbindungen, fehlende Haus- oder Fachärzte).

 

Es ist nur vor dem Hintergrund der Transformationsphase nach der Wiedervereinigung zu verstehen, wie Entscheider damals auf die Idee gekommen sind, Ortsteile wie Klaffenbach, Euba oder Kleinolbersdorf-Altenhain einzugemeinden. Einerseits sollte der Bevölkerungsverlust der Stadt durch Abwanderung in den Speckgürtel vermieden werden, in anderen Fällen wie Röhrsdorf und dem sich darauf befindlichen "Chemnitz Center" waren wohl auch Steuereinnahmen von Interesse. Auch die damals noch eigenständigen Gemeinden standen vor großen Herausforderungen, hätten in Eigenleistungen umfangreiche Sanierungen stemmen müssen (z. B. Abwasser). Gegner gegen die Eingemeindungen fanden sich überall, vor allem in Grüna und Einsiedel, wo bereits damals kleinstädtische Strukturen vorherrschten. Beispiele wie der kürzlich via Bürgerentscheid gescheiterte „Zusammenschluss“ von Taura nach Burgstädt (nördlich der Chemnitzer Stadtgrenze) implizieren, dass sich wohl heute keine Mehrheit mehr dafür finden lassen würde.

Kurzes Pro und Contra zur kompakten Stadt

Die Frage, ob ein Stadtgebiet eher kompakt oder weiträumig sein sollte, kann aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Begreift man eine Stadt als Stadt, dann sollte sie sich ausschließlich um städtische Probleme kümmern müssen (und können). Mitglieder des Stadtrats, die zwingend auf dem Stadtgebiet wohnen müssen, kennen die Realitäten vor Ort viel besser, wenn sie in städtischen Strukturen wohnen. Bei territorial großen Städten leben nicht wenige Entscheider am Rand, erleben dort täglich ländlich-suburbane Realitäten, müssen im Entscheidungsprozess immer beide Perspektiven (Kern vs. Rand) im Blick haben. Anders formuliert: Sollte ein Stadtrat nicht dort wohnen, worüber er einen Großteil seiner Entscheidungen fällt?

 

Andererseits hilft ein großes Stadtgebiet definitiv dabei, die Bevölkerungszahlen (und damit Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen) hoch zu halten und damit finanziell in der Lage zu bleiben, kommunal „Dinge“ zu finanzieren, die sowieso von Menschen in der Kernstadt und dem Stadtrand genutzt werden. Große Territorien ermöglichen die weitere Schaffung von Gewerbe- und Wohngebieten im Gemeindegebiet, führen dort jedoch zu erhöhten Infrastrukturkosten, wenn ausreichend Platz vorhanden ist und man eine Stadt leicht „ausfransen“ lassen kann.

 

Eine leistungsfähige Stadtverwaltung (und das spricht für Eingemeindungen) kann in der Lage sein, mehr als nur die Kernstadt, sondern auch das suburbane-ländliche Umland effizient zu verwalten, die Teilgebiete ganzheitlich in die Raumplanungen miteinzubeziehen und bspw. Fördermittel für alle Stadtteile zu beschaffen.

 

Kritiker der Diskussion würden anführen, dass die Pro und Contra-Debatte eine „Scheindiskussion“ ist. Die überwiegende Nutzung des Chemnitzer Randgebietes für land- und forstwirtschaftliche Aspekte hindere niemanden daran, gute sachorientierte Politik für die Kernstadt zu betreiben. Auch die dünne Besiedlung des Randes sei eher ein statistisches Phänomen. Die „Mehrheitsgesellschaft“ in Chemnitz lebe, wohne und wählte städtisch (so verschieden sich das anfühlen kann). Der Stadtrand und der dort wohnende geringe Anteil an Bewohnern (ca. 15 % der Gesamtbevölkerung) verschlinge keine allzu großen Ressourcen, Kosten und Nutzen würden sich die Waage halten. Auch unterschiede sich das Wahlergebnis (vor allem bei der Stadtratswahl) am Rand nur punktuell von dem der Kernstadt, der Einfluss auf das Gesamtergebnis sei aufgrund der geringen Wählerzahl insgesamt zu vernachlässigen.

Welche Rolle spielt die Größe der Stadt, wenn ich nach Chemnitz ziehen will?

Aus der Größe der Stadt können lange Wege resultieren. In der "Wohnpraxis" führt das dazu, dass Stadtteile am Rand der Stadt teilweise bis zu 10 km vom Stadtzentrum entfernt sind, dass Bewohner mancher Stadtteile im Bereich „Übergang Stadtkern zu Stadtrand“ 5 bis 7 km Strecke bis ins Zentrum zurücklegen müssen. Wenn er ein Auto hat oder gern Fahrrad fährt, dem können solche Entfernungen egal sein. Auch die Busse und Bahnen der Chemnitzer-Verkehrs AG (kurz CVAG, kommunales ÖPNV-Unternehmen; https://www.cvag.de/) und deren recht gutes ÖPNV-Netz (wenn man nicht gerade nach Einsiedel will oder in Kleinolbersdorf-Altenhain wohnt) werden Bewohner immer irgendwie nach Hause bringen. Kurzum: Es gibt Stadtteile in Chemnitz, da kann man – rein entfernungsmäßig – vom Stadtzentrum nicht mehr nach Hause laufen (es sei denn, man hat viel Zeit).



Wie sieht's in anderen Städten aus?

Vergleiche mit anderen Städten in Ostdeutschland zeigen, dass territorial große Städte hier keine Seltenheit sind. Eingemeindungen und Kreisgebietsreformen haben die Städte in der Nachwendezeit allesamt wachsen lassen.

  • Dresden: 328 km²
  • Leipzig: 298 km²
  • Erfurt: 269 km²
  • [CHEMNITZ: 221 km²]
  • Magdeburg: 201 km²
  • Potsdam: 188 km²
  • Rostock: 181 km²
  • Halle/S.: 135 km²
  • Jena: 115 km²

Im internationalen Kontext ist die Fläche von Chemnitz geeignet, Millionenstädte aufzunehmen. Beispiele gefällig? Vier der fünf großen Stadtbezirke von New York City sind kleiner als Chemnitz. Manhattan (59 km²) würde knapp viermal in Chemnitz hineinpassen. Barcelona (1,6 Mio. EW) nimmt mit seinen 98 km² weniger als die Hälfte der Chemnitzer Fläche ein. Die 1,5 Mio. Bewohner Münchens leben auf 311 km²; in Köln sind es 405 km² für knapp 1,1 Mio. Einwohner. Auch der kürzlich erneut in die Schlagzeilen geratene Gazastreifen mit seinen mehr als 2 Mio. Einwohnern ist gerade einmal 365 km² groß.

Zum Abschluss einige kleine Vergleiche!

Die Website "The True Size Of ..." (www.truesize.com) erlaubt es, Umrisse verschiedener Länder auf andere Regionen zu übertragen. Wir haben mittel-kleine Länder Europas (also nicht Monaco oder den Vatikanstaat) und andere bekannte Gebiete auf Chemnitz gelegt.

1. Andorra (468 km²) 👇

2. Liechtenstein (160 km²) 👇

3. San Marino (61 km²) 👇

4. Malta (316 km²) 👇

5. Gazastreifen (365 km²) 👇