Der Sonnenberg in Chemnitz - Vortrags- bzw. Präsentationsvorlage

Der Sonnenberg gehört – das lässt sich ohne Zweifel behaupten – zu den berühmtesten Chemnitzer Stadtteilen. Das Interesse an ihm ist vielfältig; das FOG-Institut erhält zu keinem anderen Stadtteil mehr Anfragen als zum Sonnenberg. Die Gruppe der Interessenten und Informationssuchenden ist groß: sie beginnt bei Studierenden, die für bestimmte Arbeiten zumeist ein statistisches Überblickswissen benötigen, und führt über die Gruppe der Aktivisten im Stadtteil, die sich für aktuelle Zahlen interessieren, bis hin zu Immobilieninvestoren, die sich mit Aspekten des Wohnungsmarktes und der zukünftigen Entwicklung des Gebietes beschäftigen.

 

Sie finden im Folgende eine Präsentationsvorlage, die Sie für Ihre eigenen Zwecke verwenden können. Alle Materialien, Grafiken und Fotos stammen vom FOG-Institut oder von CHEMNITZ in ZAHLEN. Der Präsentationstext beinhaltet einen ca. 40-minütigen Vortrag, der versucht, der Heterogenität der Bevölkerung im Stadtteil gerecht zu werden. Er will einen Überblick über die Menschen im Stadtteil und die Entwicklung des Gebiets in den letzten Jahren geben. Bewusst verzichtet er auf "Wertungen".

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Textteil

Vorstellung des Chemnitzer Stadtteils Sonnenbergs

 

Hinweis: Der Vortrag ist in der Ich-Form (aus Sicht des Vortragenden) geschrieben und wurde in ähnlicher Form im Mai 2021 in Chemnitz gehalten. Sie finden hier eine überarbeitete Version. Die Datenstände der einzelnen Grafiken schwanken zwischen 2017 und 2020 - zum Zeitpunkt der Präsentation gab es keine aktuelleren und zugleich veröffentlichten Daten.

 

[Folien 1 und 2]

Der Sonnenberg gehört – das lässt sich ohne Zweifel behaupten – zu den berühmtesten Chemnitzer Stadtteilen. Das Interesse an ihm ist vielfältig; das FOG-Institut erhält zu keinem anderen Stadtteil mehr Anfragen als zum Sonnenberg. Die Gruppe der Interessenten und Informationssuchenden ist breitgefächert. Sie beginnt bei Studierenden, die für bestimmte Arbeiten zumeist ein statistisches Überblickswissen benötigen, und führt über die Gruppe der Aktivisten im Stadtteil, die aktuelle Zahlen benötigen, bis hin zu Immobilieninvestoren, die sich mit Aspekten des Wohnungsmarktes und der zukünftigen Entwicklung des Gebietes beschäftigen.

 

Die Gespräche mit den Informationssuchenden über den Sonnenberg drehen sich im Kern um die immer gleichen Fragen:

  • Welche Menschen leben auf dem Sonnenberg?
  • Wie ist der Stadtteil baulich strukturiert?
  • Wie ist die soziale Struktur des Stadtteils?
  • Wie hoch ist der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte?
  • Wie ist die Altersstruktur im Stadtteil?
  • Wie ist die Wohnsituation im Stadtteil?
  • Welche Entwicklungen waren in den letzten Jahren zu beobachten?
  • Wie wird sich der Sonnenberg zukünftig entwickeln?

 

In all diesen Gesprächen fällt auf, wie schwer es ist, einen Stadtteil und dessen Bevölkerung zu beschreiben, dessen größtes Wesensmerkmal seine Heterogenität ist. Die externe Wahrnehmung des Sonnenbergs ist zumeist von Klischees, Verallgemeinerungen und Teilaspekten gekennzeichnet, die punktuell reale Hintergründe haben, jedoch der Realität der mehr als 15.000 Einwohner im Stadtteil nicht ansatzweise gerecht werden können. Ich möchte daher im Folgenden versuchen, mich mit Mitteln der Statistik den Teilgruppen des Sonnenbergs zu nähern, diese zu quantifizieren und Abweichungen im Vergleich zur Chemnitzer Gesamtbevölkerungsstruktur und zu anderen Stadtteilen aufzuzeigen.

 

Meine Arbeitshypothese für die Beschreibung des Sonnenbergs lautet: Während viele andere Chemnitzer Stadtteile dadurch auffallen, dass bestimmte Teilgruppen fehlen oder nur minimal vorhanden sind, ist ein zentrales Wesensmerkmal auf dem Sonnenberg das Vorhandensein nahezu aller großstädtischen Bevölkerungsgruppen. Diese Bevölkerungsgruppen sind hier nicht nur da, sondern auch jeweils in einer signifikanten Menge vorhanden.

 

[Folien 3 bis 7]

Lassen Sie uns aber noch kurz vorher noch einmal aus der Vogelperspektive einen Blick auf den Sonnenberg werfen. Sie sehen die Kompaktheit des Sonnenbergs, sie sehen die Barrieren, sie sehen den Bahnhof, das Technische Rathaus, hinter das CFC-Stadion, hier die Dresdner Straße, die Hainstraße, die Zietenstraße und die Fürstenstraße, die bis zum Yorckgebiet führt und die bei der Yorckstraße den Übergang zwischen beiden Stadtteilen markiert. Sie alle kennen den Sonnenberg als verdichteten innerstädtischen Stadtteil, der gerne ausschließlich als Gründerzeitgebiet beschrieben wird. Für mich persönlich ist der Sonnenberg aber „dreigeteilt“: einerseits in den südlichen Sonnenberg mit seiner Plattenbausubstanz, andererseits in den gründerzeitlichen Sonnenberg und drittens in das, was wir in unserem Wohnungsmarkt-Report Chemnitz immer so schön die Humboldthöhe nennen, ein - grob charakterisiert - genossenschaftliches Gebiet mit Wohngebäuden aus der Zwischenkriegszeit und der frühen Phase des DDR-Wohnungsbaus. Warum ist das wichtig, werden Sie fragen? Erstens: die ostdeutsche Stadtforschung hat gezeigt, dass in diesen Wohngebietstypen ganz verschiedene Menschen wohnen, und zweitens mit Bezug auf den Sonnenberg: das Teilgebiet „Südlicher Sonnenberg“ und der „gründerzeitliche Sonnenberg“ sind die beiden Gebiete, die in den letzten 10 bis 15 Jahren die günstigsten Angebotsmieten von ganz Chemnitz geboten haben - im Schnitt günstiger als jede Wohnung im Chemnitzer Heckert-Gebiet.

 

Insgesamt – und damit ich will auch die baulichen Beschreibungen an der Stelle beenden – befinden sich nur 50 % der Wohnungen des Sonnenbergs in Wohngebäuden, die vor 1918 errichtet worden, während 20 % der Wohnungen aus der DDR-Zeit stammen und 18 % aus der Zwischenkriegszeit.

 

[Folie 8]

Die genannten baulichen Realitäten des Sonnenbergs und die 1991 durch die Stadtverwaltung Chemnitz vollzogene Stadtteilgrenzziehung führen in der Statistik dazu, dass der Sonnenberg aktuell das Zuhause von 15.363 Menschen ist (Stand 30.04.2021). Der Stadtteil ist damit der zweitgrößte von Chemnitz, beherbergt somit 6 % der Chemnitzer Bewohnerschaft, obwohl er mit seinen 2,24 Quadratkilometern Fläche nur 1 % des Chemnitzer Stadtgebietes bedeckt. Die Bevölkerungsdichte ist hoch und liegt bei ungefähr 7.000 Menschen je Quadratkilometer. Im Stadtteil existieren mehr als 11.600 Wohnungen und Stand 2019 ca. 8.600 Haushalte. Wenn Sie die Bevölkerungszahl im Stadtteil durch die Zahl der Haushalte teilen, dann erhalten Sie einen Wert von 1,77 Personen je Haushalt. All diese Zahlen sagen natürlich nichts über die dahinterliegenden sozialstrukturellen Realitäten und Heterogenitäten des Stadtteils aus.

 

[Folie 9]

Ich zeige Ihnen im Folgenden sieben Grafiken zur Sozialstruktur des Sonnenbergs, die zumeist dann gezeigt werden, wenn der Stadtteil und seine Bevölkerung in irgendeiner Weise problematisiert werden sollen, wenn die „schlechte Seite“ des Sonnenbergs beleuchtet werden soll. Eins vorweg: Ich persönlich mache mir die Diktion von „guten und schlechten Stadtteilen“ nicht zu eigen – mir ist im Studium eingebläut worden, dass „gut“ und „schlecht“ keine Kategorien der Stadtsoziologie sind, sondern dass Stadtteile immer aus dem Zusammenspiel von Menschen und Raum gebildet werden und dieses Zusammenspiel zu verschiedensten sozialräumlichen Ausprägungen führen kann.

 

[Folie 10]

Ende 2019 lebten ca. 1.100 arbeitslose Menschen auf dem Sonnenberg. Die prozentuale Arbeitslosigkeit auf dem Sonnenberg liegt bei ca. 11 % und damit in etwa doppelt so hoch wie im Chemnitzer Durchschnitt. Ich hatte es vorhin erwähnt: während der Sonnenberg 1 % der Chemnitzer Stadtfläche und 6 % der Chemnitzer Bevölkerung beherbergt, so wohnen ca. 14 % aller arbeitslosen Menschen von Chemnitz auf dem Sonnenberg. Die höchste Arbeitslosigkeit in Chemnitz weist übrigens der Stadtteil Morgenleite im Heckert-Gebiet auf.



[Folie 10]

Ende 2019 lebten ca. 1.100 arbeitslose Menschen auf dem Sonnenberg. Die prozentuale Arbeitslosigkeit auf dem Sonnenberg liegt bei ca. 11 % und damit in etwa doppelt so hoch wie im Chemnitzer Durchschnitt. Ich hatte es vorhin erwähnt: während der Sonnenberg 1 % der Chemnitzer Stadtfläche und 6 % der Chemnitzer Bevölkerung beherbergt, so wohnen ca. 14 % aller arbeitslosen Menschen von Chemnitz auf dem Sonnenberg. Die höchste Arbeitslosigkeit in Chemnitz weist übrigens der Stadtteil Morgenleite im Heckert-Gebiet auf.

 

[Folie 11]

Ende 2017 – aktuellere Daten liegen nicht vor – erhielten 28 % der Menschen auf dem Sonnenberg existenzsichernde Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII. Umgangssprachlich werden diese Leistung als Hartz IV bezeichnet. Rechnerisch kann grob gesagt werden, dass ca. 4.000 Menschen auf dem Sonnenberg Hartz IV-Leistungen beziehen. Darunter befinden sich viele Kinder, die – sobald sie in einer Bedarfsgemeinschaft mit Eltern leben – als Leistungsempfänger gezählt werden, aber auch z. B. Alleinerziehende oder sog. „Aufstocker“, also Personen, dessen Einkommen aus Erwerbsarbeit unter Hartz IV-Niveau liegt. Die Quote des Leistungsbezugs nach SGB II / XII ist auf dem Sonnenberg die höchste unter allen 39 Chemnitzer Stadtteilen.

 

[Folie 12]

Ende 2019 hatten 17 % der Stadtteilbevölkerung des Sonnenbergs keine deutsche Staatsbürgerschaft und werden der Gruppe der ausländischen Bevölkerung zugeordnet. Insgesamt sind das ca. 2.600 Personen, deren Herkunftsland auf Stadtteil-Ebene nicht veröffentlicht wird. Ich werde einige Folien später noch einmal die vielfältigen Herkunftsländer der ausländischen Bevölkerung in Chemnitz eingehen. Neben den 2.600 Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind weitere 400 Personen zu nennen, die über zwei Staatsbürgerschaften verfügen. Da eine von diesen die deutsche ist, gelten diese als deutsche Staatsbürger. Ca. 12.300 Menschen auf dem Sonnenberg - ca. 80 % - verfügen ausschließlich über die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit einem Anteil von 17 % ausländischer Bevölkerung an der Gesamtstadtteilbevölkerung rangiert der Sonnenberg auf Rang 4 unter den Chemnitzer Stadtteilen. Höhere Anteile finden sich im Zentrum, in Bernsdorf und in Furth.

 

[Folie 13]

Der Sonnenberg ist – wie viele innerstädtische Stadtteile – durch einen hohen Anteil an Mietwohnungen gekennzeichnet. 98 von 100 Haushalten des Stadtteils wohnten 2011 – aktuellere Daten liegen auch hier nicht vor – zur Miete. Umgekehrt lässt sich daraus folgern, dass die Gesamtheit der Bevölkerung des Stadtteils über so gut wie kein Wohneigentum verfügt. Gesamtstädtisch liegt die Eigentumsquote bei 17 %, das heißt 83 von 100 bewohnten Wohnungen waren 2011 Mietwohnungen. Am Rand der Stadt ist die Dichte an Wohneigentum deutlich höher. In Adelsberg bspw. befanden sich 3 von 4 Wohnungen – zumeist gelegen in Einfamilienhäusern – im Privatbesitz. Die Adelsberger Wohnverhältnisse haben natürlich nichts mit den Realitäten auf dem Sonnenberg zu tun: hier ist eine Wohnung im Schnitt 62 m² groß und 98 % der Wohnungen befinden sich in Wohngebäuden mit mindestens 5 Wohnungen.

 

[Folie 14 und 15]

Eine Statistik, die oft über den Sonnenberg zitiert wird, und das Erscheinungsbild des Stadtteils, sein Image und seine Mietpreisbildung beeinflusst, ist die Leerstandsstatistik. Obwohl man sich dem Leerstand nur rechnerisch annähern kann, kann dieser grob auf ca. 25 % taxiert werden. Errechnet wird er über 8.600 Haushalte und 11.600 Wohnungen, wobei die Annahme gilt, dass ein Haushalt exakt eine Wohnung bewohnt. Übrig bleiben somit ca. 3.000 freie Wohnungen, die naturgemäß nicht alle marktaktiv sind, sondern sich teilweise auch in unsanierten Wohngebäuden befinden. In den letzten Jahren sind deutliche Sanierungsaktivitäten sichtbar gewesen, die zu einer Steigerung des Wohnraumangebots im gehobenen Segment geführt haben und somit auch die Angebotsmieten haben steigen lassen. Ich komme darauf aber erst im zweiten Teil meines Vortrages zurück.

 

[Folie 16]

Eine weitere Statistik, mit der ein Stadtteil und dessen Bevölkerung gern im Negativ-Kontext umschrieben wird, ist die Statistik der Wahlbeteiligung. Natürlich wissen wir alle, dass Wahlbeteiligungen immer stark von der konkreten Wahl abhängen, sodass die gezeigte Karte des Sonnenbergs und seiner Wahlbeteiligung bei der Stadtratswahl 2019 nur einen Ausschnitt der Realität abbildet. Allgemein lässt sich aber sagen, dass die Menschen auf dem Sonnenberg, in dem Fall der Teil der wahlberechtigten Bevölkerung, im Vergleich zu anderen Stadtteilen deutlich seltener zur Wahl gehen. Im Schnitt liegt die Wahlbeteiligung im Stadtteil regelmäßig ca. 15 % bis 20 % (ich betone Prozent - nicht Prozentpunkte) unter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert. Die Wahlbeteiligung des Sonnenbergs erreicht damit ungefähr das Niveau des Fritz-Heckert-Gebiets. In der Statistik der Wahlbeteiligung fällt regelmäßig der Kaßberg mit der höchsten Wahlbeteiligung der kernstädtischen Stadtteile auf, wobei auch diese nicht mit den hohen Werten des Stadtrandes vergleichbar ist.

 

[Folie 17]

Die von mir benannten Teilaspekte der Sozialstruktur führen zu einem stark heterogenen Wahlergebnis, das auf der folgenden Folie gezeigt wird. Dargestellt werden kann hier leider nur das Ergebnis der Urnenwahl, da Briefwahlergebnisse nicht auf Stadtteile zurückgeführt werden können. Das spielt aber auch für meine Argumentation keine Rolle, da die Vielfältigkeit der Stimmenabgabe auch so deutlich wird. Ich möchte auch das Wahlergebnis an dieser Stelle gar nicht kommentieren, lediglich darauf hinweisen, dass die beiden Parteien CDU und SPD, die aktuell die Bundesregierung stellen, zusammen auf dem Sonnenberg bei Wahlen addiert jeweils zwischen 25 % bis 30 % der Stimmen erhalten.

 

[Folien 18 und 19]

Die Gruppe an Personen, die es mit dem Sonnenberg schlecht meint, hat jetzt nach den paar gezeigten Folien normalerweise genug gesehen und erneut ihr negatives Sonnenberg-Bild bestätigt bekommen. Aber da die Dinge bekanntlich niemals schwarz/weiß sind, sondern irgendetwas dazwischen, zeige ich Ihnen im Folgenden einige Daten, die dokumentieren sollen, wie im Hintergrund der Fundamentaldaten Veränderungsprozesse ablaufen, die die dynamische Entwicklung des Sonnenberg aufzeigen sollen.

 

[Folie 20]

All der Abgesang auf den Sonnenberg, die teilweise Überbetonung der sozialstrukturellen Probleme haben nicht verhindern können, dass der Sonnenberg im letzten Jahrzehnt um mehr als 10 % gewachsen ist und seine Bevölkerungszahl von 13.800 auf 15.400 (Ende 2020) erhöhen konnte. Der Bevölkerungsanstieg im Stadtteil war nach dem Stadtteil Zentrum, dem Lutherviertel und Rabenstein der viertgrößte und sorgte gleichzeitig dafür, dass der Sonnenberg wieder den Stadtteil Gablenz überholte und nun auf Rang zwei der bevölkerungsreichsten Chemnitzer Teilgebiete zu finden ist.

 

Hätte sich die Gesamtbevölkerungszahl von Chemnitz seit 2010 ähnlich positiv entwickelt wie die des Sonnenbergs, könnten wir heute ca. 265.000 Menschen in Chemnitz vermelden – können wir aber nicht und so muss die Stadt seit 2019 wieder relativ deutliche Bevölkerungsverluste verkraften und verzeichnet heute nur noch einen Bevölkerungsstand von 244.000.



[Folie 21]

Ein Grund für das Bevölkerungswachstum des Sonnenbergs in den letzten Jahren ist der verstärkte Zuzug aus dem Ausland gewesen. Die Zahl der ausländischen Bewohnerschaft hat sich – beginnend ab 2014 – in den letzten Jahren von ca. 1.100 auf ca. 2.600 erhöht, was prozentual einer Steigerung von 135 % binnen 5 Jahren entspricht. Der Anteil der ausländischen Bewohnerschaft im Stadtteil erhöhte sich von 7,5 % im Jahr 2014 auf nunmehr 17 % Ende 2019.

 

[Folie 22]

Über die Herkunftsländer ist auf Stadtteil-Ebene leider nichts bekannt, sodass ich Sie zur Struktur der ausländischen Bevölkerung von Chemnitz auf eine gesamtstädtische Statistik verweisen muss. Demnach stammen die meisten Menschen aus Syrien, von gefolgt von China, Afghanistan, Indien, Russland, Rumänien und der Ukraine. Die Liste der Nationalitäten ist lang und vielfältig – ich gehe davon aus, dass Menschen aus dutzenden verschiedenen Ländern aktuell auf dem Sonnenberg wohnen, auch wenn diese nicht genau quantifiziert werden können. Wir müssen hierbei allerdings bedenken, dass z. B. die TU Chemnitz in Bernsdorf für bestimmte Teilgruppen besonders relevant ist und demnach viele Studierende aus China oder Indien in den Wohnheimen beherbergt, sodass wir die gezeigte Grafik nicht eins-zu-eins auf den Sonnenberg übertragen können.

 

[Folien 23 und 24]

Einhergehend mit der Veränderung der Bevölkerungszahl hat es Verschiebungen in der Altersstruktur auf dem Sonnenberg gegeben. Lassen Sie uns zuerst einen allgemeinen Blick auf die Altersstruktur im Stadtteil im Vergleich zur Gesamtstadt werfen. Die Grafik mag leicht verwirren, aber wann immer die blaue Linie über der orangen Linie liegt, so ist diese Bevölkerungsgruppe im Sonnenberg deutlich öfter vertreten als in der Gesamtstadt. Es gibt auf dem Sonnenberg viel mehr Kinder und Jugendliche, viel mehr junge Erwachsene. Ab einem Alter von ca. 40 Jahren normalisiert sich die Demographie den Sonnenbergs und gleicht sich Werten der Gesamtstadt an. Erst im Rentenalter zeigt sich dann plötzlich wieder, dass Menschen im Alter von 65 Jahren und mehr auf dem Sonnenberg deutlich unterrepräsentiert im Vergleich zur Gesamtstadt sind. Insgesamt liegt das Durchschnittalter auf dem Sonnenberg bei etwa 40 Jahren und damit ca. 6 bis 7 Jahre unter dem Chemnitzer Mittelwert. Der Sonnenberg gilt damit als „junger“ Stadtteil – eine Aussage, die man nur verstehen kann, wenn man die Chemnitzer Demographie kennt.

 

Summa summarum führt das rein quantitativ zu folgenden Werten: Auf dem Sonnenberg leben aktuell ca. 3.000 Kinder und Jugendliche, 2.500 junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren. Die Altersgruppen zwischen 30 und 44 Jahren sowie zwischen 45 bis 65 Jahren sind mit jeweils 3.600 und 3.800 Menschen jeweils ungefähr gleich groß. Die Gruppe der Menschen im Alter von 65 Jahren und älter liegt bei ca. 2.500 – würde der Sonnenberg hier den Chemnitzer Durchschnittswert erreichen, wären es mehr als 4.000. Wenn Sie sich die Zuwächse vor allem bei den Kindern und Jugendlichen anschauen, dann wissen Sie übrigens auch, warum aktuell auf dem Sonnenberg zwei Schulen neugebaut wurden bzw. bereits fertiggestellt wurden.

 

[Folien 25 und 26]

Für manche von Ihnen vielleicht überraschend, sehen Sie in der Altersgruppe 18-29 Jahre deutliche Rückgänge bei der Bevölkerungszahl, passt das doch so gar nicht zum Narrativ vom „boomenden“ Sonnenberg, zum – ich zitiere die Chemnitzer Morgenpost – „wachsenden Szeneviertel“. Wir haben in den letzten Jahren eine Reihe von Meldungen über den Sonnenberg lesen können, die nicht mehr die Negativseiten des Sonnenbergs dargestellt haben, sondern gegenteilig vom „boomenden“ Sonnenberg gesprochen haben. Die Rede war hier dann wahlweise von „Künstlerzuzügen“, „Luxussanierungen, „Freiräumen für Kreative“ oder von „vielfältigen Kunst- und Kulturangeboten“ usw. Jetzt muss man bei diesen Aussagen natürlich immer schauen, wer sie getätigt hat – es fällt auf, dass es sich zumeist um Menschen handelt, die mit oder auf dem Sonnenberg ihr Geld verdienen. Wenn ein Stadtteilmanager seinen Stadtteil lobt, ist das de facto seine Arbeitsaufgabe. Wenn der Stadtteilmanager Wirtschaft von Kreatives Chemnitz den Hang zur Kultur auf der Zietenstraße organisiert und dabei die Kreativ-Szene auf dem Sonnenberg hervorhebt, ist das sein Job; wenn ein Immobilieninvestor seine Bestände saniert, Eigentumswohnungen verkaufen will und dann den Standort lobt, ist das Teil seines Marketings - was weiß der Kapitalanleger aus Freiburg oder dem Hochtaunuskreis schon über die sozialstrukturellen Feinheiten des Stadtteils?

 

Wenn wir diese Geräuschkulisse aber einmal herausnehmen und schauen, was sich objektiv in den letzten Jahren getan hat, dann fallen natürlich umfangreiche Sanierungsmaßnahmen im Stadtteil auf. Zumeist werden unsanierte Gründerzeitaltbauten komplett- bzw. totalsaniert und mit einem 2020er Standard auf den Wohnungsmarkt gebracht. Die GGG hat bspw. Altbauten auf der Zietenstraße mit Geldern vom Freistaat Sachsen saniert und diese dann anschließend mit einer Art Mietpreisbindung von 4 €/m² auf den Markt gebracht; HANSA Real Estate hat hochwertig saniert und Wohnungen für 6 bis 7 €/m² entwickelt; eine Reihe von kleineren Privatinvestoren ebenfalls, sodass insgesamt das Angebot an sanierten neuwertigen Wohnungen gewachsen ist und so die Angebotsmieten im Stadtteil gestiegen sind, wenngleich sie weiterhin unter dem städtischen Mittelwert liegen. Zur Vollständigkeit gehört aber weiterhin, dass Bestandswohnungen, die irgendwann um die Jahrtausendwende saniert worden, weiterhin günstig zu mieten sind. Wenn sie letzten Freitag bei Immobilienscout nach einer Sonnenberg-Wohnung gesucht haben, standen 755 Wohnungen zur Auswahl. Wenn Sie weiterhin wissen, dass die Sächsische Wohnungsgenossenschaft Bestände auf dem Sonnenberg an die TAG Wohnen AG verkauft hat, dann wissen Sie, dass nicht alles auf dem Sonnenberg boomt…

 

Zusammenfassend an diesen Vorgängen ist aus meiner Sicht wichtig zu sagen, dass der Sonnenberg durch Wohnungssanierungen auch für jenes Klientel attraktiv ist bzw. bleibt, das nicht günstig, sondern modern oder hochwertig im Stadtteil wohnen möchten. Die z. B. von HANSA Real Estate durchgeführte Sanierung der "Riemann-Fabrik" an der Fürstenstraße / Kreuzung Hofer Straße in unmittelbarer Nähe des Kepler-Gymnasiums hat baulich und auch preislich für den Sonnenberg neue Maßstäbe gesetzt.

 

Neben den baulichen Verbesserungen im Stadtteil hat die Diskussion um den boomenden Sonnenberg auch dazu geführt, dass das künstlerisch-kreative Milieu wieder verstärkt in den Fokus gerückt ist. Wir haben in den letzten Jahren – vor allem im südlichen Bereich des Stadtteils entlang der Zietenstraße – eine Reihe von Ansiedlungen von Kultur-Initiativen, Vereinen und Klein-Unternehmen gesehen, die dem Stadtteil eine für die Öffentlichkeit auch wahrnehmbare neue Facette hinzugefügt hat. Natürlich hat es auch vorher auf dem Sonnenberg kreative Menschen gegeben, aber erst in den letzten Jahren ist dort ein Cluster entstanden, das eine kritische Größe bekommen hat und sich nun – zumindest in der Fachöffentlichkeit – auch herumgesprochen hat. Die Stadt Chemnitz fördert bspw. mit dem Areal der Stadtwirtschaft in der Jakobstraße die Entwicklung und will in diesen Bereich weitere Ansiedlungen von kreativen, künstlerisch tätigen Menschen forcieren.

 

[Folien 27 und 28]

Stichwort Ansiedlungen und Zuzüge. Ich habe jetzt in der letzten halben Stunde eine Vielzahl von Daten – manche von Ihnen werden sagen: zu viele – aufgezeigt und versucht, die Bevölkerung auf dem Sonnenberg irgendwie zu quantifizieren und durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe greifbar zu machen. Leicht konnte man den Eindruck gewinnen, es handele sich bei den Menschen im Stadtteil um eine feste, stabile Gruppe, die das Leben im Stadtteil seit Jahren prägt. Dieser Eindruck ist falsch, denn die Bevölkerung im Stadtteil ist hochmobil und wird rechnerisch alle paar Jahre in weiten Teilen ausgetauscht. Im Zeitraum der letzten sieben Jahre sind mehr als 15.000 Menschen neu auf den Sonnenberg gezogen, während 14.000 in dieser Zeit wegzogen. Jedes Jahr tauscht der Stadtteil statistisch ca. 14 % seiner Bevölkerung nur durch Zuzug und Wegzug aus (und hierbei sind die Geburten und Sterbefälle noch gar nicht mit eingerechnet). Natürlich gibt es auch Sonnenberger und Sonnenberginnen, die ihr komplettes Leben auf dem Sonnenberg zugebracht haben, aber für den mobilen Teil der Bevölkerung lässt sich rechnerisch sagen, dass leicht weniger als 50 % der Menschen, die heute auf dem Sonnenberg wohnen, vor drei oder vier Jahren hier noch nicht gewohnt haben. Die Berechnung schließt sowohl Zuzüge als auch Geburten mit ein. Der Sonnenberg gehört damit zu den mobilsten Chemnitzer Stadtteilen und wird in puncto Zuzugsintensität nur noch von Bernsdorf und vom Lutherviertel überboten. Die Bevölkerungsstruktur auf dem Sonnenberg befindet sich in einem dauernden dynamischen Veränderungsprozess, sodass es schwerfällt, die Bewohnerschaft adäquat zu beschreiben.

 

[Folie 29]

Ich will es aber trotzdem versuchen und möchte mit einer Tabelle meinen Vortrag beenden, die versucht, die Gesamtheit der Menschen auf dem Sonnenberg durch Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu charakterisieren. Was allen Menschen auf dem Sonnenberg gemein ist, dass sie sich bewusst für den Stadtteil entschieden haben – niemand wird aufgrund der besonderen Chemnitzer Mietsituation gezwungen, hier wohnen zu müssen – dass sie innerstädtisch und zumeist relativ preisgünstig wohnen. Die Wohnrealitäten im Stadtteil sind für alle Menschen relativ gleich, wir haben es ausschließlich mit Mieterhaushalten zu tun; ein beträchtlicher Teil der Menschen im Stadtteil wohnt noch nicht allzu lange hier.

 

Auf der anderen Seite bei den Unterschieden haben wir Menschen ganz verschiedenen Alters, verschiedener Haushalts- und Familiensituationen, wir haben Unterschiede bei der politischen Partizipation (Stichwort Wahlbeteiligung, aber auch Engagement im Stadtteil) und bei politischen Grundeinstellung, wir haben auf der ökonomischen Skala von relativer Armut durch Hartz IV und Überschuldung bis hin zu gut bezahlten Jobs alles, wir haben im Bereich der Herkunft und Staatsbürgerschaft einen bunten Mix vieler Nationen und damit einhergehend deutlichste Unterschiede in der Lebensbiografie, in der Weltanschauung und in der Lebenserfahrung.

 

 

Datenquellen:

  • Stadt Chemnitz – Amt für Informationsverarbeitung
  • Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
  • FOG-Institut für Markt- und Sozialforschung

Fotos:

  • Lord van Tasm (Folien 1, 3, 9)
  • Fototro (Folio 19)
  • FOG-Institut für Markt- und Sozialforschung (alle weiteren Fotos)

Weitere Daten zum Sonnenberg und allen weiteren Stadtteilen finden Sie bei: