Die Geburtensituation in Chemnitz: Ein Blick auf die Stadtteile (1994–2022)

Die Geburtenentwicklung in Chemnitz in den letzten drei Jahrzehnten kann guten Gewissens als wechselvoll beschrieben werden. Mit jährlich rund 1.900 Geburten – allerdings schwankend zwischen 1.200 Anfang der 1990er Jahre und fast 2.500 im Rekordjahr 2017 - bietet die Stadt ein faszinierendes Bild demografischer Dynamik. Der Blog-Artikel blickt eine Ebene tiefer und taucht in die Situation der Stadtteile ein: Welche Stadtteile prägen die Geburtenstatistik? Wie verteilen sich die Neugeborenen anteilig auf die 39 Stadtteile? Wie unterscheiden sich die Teilgebiete in ihrer Geburtenrate? Fußend auf Daten von 56.000 Geburten der Jahre 1994-2022 zeigt der Artikel, welche Stadtteile die demografische Entwicklung Chemnitz’ maßgeblich geprägt haben. Als ein Sonderfall entpuppt sich dabei der Stadtteil Zentrum. Dieser verzeichnete im Jahr 2022 zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung die meisten Geburten unter allen 39 Teilgebieten in Chemnitz.


Die Baby-Hotspots: Wo die meisten Geburten registriert wurden (absolute Zahlen)

Zwischen 1994 und 2022 wurden in Chemnitz insgesamt 56.014 Geburten verzeichnet – eine durchaus beeindruckende Zahl, die sich jedoch stark zwischen den Stadtteilen unterscheidet. Der Stadtteil Kaßberg führt die Statistik mit 5.463 Geburten an, gefolgt vom Sonnenberg (4.941) und Schloßchemnitz (4.355). Diese drei Stadtteile allein machen fast 30 % der Geburten in Chemnitz aus. Das Zentrum folgt mit 3.439 Geburten, während Stadtteile wie Gablenz (2.906) und Bernsdorf (2.829) ebenfalls hohe Werte aufweisen. Im Kontrast dazu stehen kleinere Stadtteile wie Erfenschlag (191) oder Röhrsdorf (236), die jeweils weniger als 1 % der Geburten verzeichnen. Diese Verteilung ist dabei nicht nur das Resultat ungleicher Bevölkerungszahlen, sondern deutet auch auf unterschiedliche demografische Strukturen hin (v. a. die Altersstruktur spielt hierbei eine Rolle). Interessant und auffällig ist hierbei bereits, dass die dicht besiedelten, aber dennoch baulich heterogenen Stadtteile Hilbersdorf (2.302 Geburten), Altendorf (2.272), Kappel (2.238) und Markersdorf (2.083) relativ nah beieinander liegen, obwohl Hilbersdorf im Schnitt der Jahre 1994-2022 mit 6.590 Einwohnern nur rund halb so viel Bevölkerung wie Kappel (11.374), Altendorf (12.029) und Markersdorf (14.007) aufwies.

 

Aber vorerst zurück zum großen Bild: Welche Stadtteile prägen die Geburtenstatistik am stärksten? In welchen Stadtteilen wurden die meisten Geburten gezählt? Die folgende Grafik gibt Aufschluss, wie sich die 56.000 Geburten der letzten 29 Jahre (1994-2022) über das Stadtgebiet verteilen.

Anteilig betrachtet war der Kaßberg somit allein für fast 10 % aller Geburten in Chemnitz in diesem Zeitraum verantwortlich. Der Sonnenberg war für rund 9 % der Babys der Stadt verantwortlich, Schloßchemnitz für 8 %, gefolgt vom Zentrum mit 6 %, Gablenz und Bernsdorf mit jeweils 5 %. 43 von 100 Geburten in Chemnitz im Zeitraum 1994-2022 gehen auf das Konto dieser sechs Stadtteile. Nimmt man noch Hilbersdorf, Altendorf, Kappel und Markersdorf (jeweils gerundet 4 %) hinzu, so erhöht sich der Wert auf fast 60 %.
Die 13 Stadtteile mit den geringsten Anteilen - angeführt von Einsiedel und Röhrsdorf mit jeweils 1,2 % über Glösa-Draisdorf, Mittelbach, Harthau, Kleinolbersdorf-Altenhain, Reichenhain, Klaffenbach, Euba, Furth, Stelzendorf, Rottluff bis hin zu Erfenschlag (0,3 % der Geburten) - erreichen anteilig mit knapp 10 % den nahezu identischen Wert wie der Kaßberg.


Stadtteile mit den höchsten Geburtenraten (relative Zahlen)

Während absolute Geburtenzahlen die demografische Bedeutung eines Stadtteils im Gesamtbild zeigen, gibt die Geburtenrate – hier als Geburten pro 1.000 Einwohner im Mittel der Jahre 1994–2022 dargestellt – Aufschluss über die demografische Vitalität im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße. Diese Kennzahl relativiert die Rohdaten und hebt Stadtteile hervor, die unabhängig von ihrer Größe eine hohe Geburtenhäufigkeit aufweisen.

 

An der Spitze steht Hilbersdorf mit einer Geburtenrate von 12,0 Geburten pro 1.000 Einwohner. Trotz einer vergleichsweise geringen Bevölkerung von durchschnittlich 6.590 Einwohnern verzeichnete der Stadtteil im Zeitraum 1994-2022 insgesamt 2.302 Geburten (79 pro Jahr), was altersstrukturell auf eine hohe Zahl von Bewohnern im Familiengründungsalter hindeutet. Dicht gefolgt wird Hilbersdorf von Schloßchemnitz mit 11,9 Geburten pro 1.000 Einwohner (4.355 Geburten / 150 pro Jahr bei durchschnittlich 12.582 Einwohnern) sowie Kaßberg und Lutherviertel, die beide eine Rate von 11,5 Geb. pro 1.000 Einwohner erreichen. Der Kaßberg sticht mit jährlich 188 Geburten hervor, während das Lutherviertel trotz kleinerer Bevölkerung (4.997 Einwohner) mit 1.672 Geburten (58 pro Jahr) eine hohe Geburtenrate zeigt. Der Sonnenberg folgt mit 11,1 Geb. pro 1.000 Einwohner (4.941 Geburten / 170 pro Jahr bei 15.345 Einwohnern). Alle aufgeführten Stadtteile wiesen im kompletten Betrachtungszeitraum eine Bevölkerungsstruktur auf, die das Gründen von Familien möglich bzw. wahrscheinlicher machte. Darüber hinaus waren diese Stadtteile für junge Familien attraktiv, wobei hier ein Bündel an Argumenten aufgeführt werden kann: attraktive Bausubstanz, bezahlbarer Wohnraum, Infrastruktur, Innenstadtlage, steter Zuzug von jungen Menschen.

 

Mit gewissem Abstand folgen weitere Stadtteile mit - bezogen auf den Gesamtzeitraum - überdurchschnittlichen Geburtenraten: zu nennen sind hier das Zentrum (9,3 Geburten pro 1.000 EW), Ebersdorf (8,8), Altchemnitz (8,1) und Mittelbach (8,0), die trotz unterschiedlicher Bevölkerungsgrößen und Wohnrealitäten eine vergleichbare Geburtenrate hatten.

 

Am unteren Ende der Skala liegen das Yorckgebiet mit nur 3,8 Geburten pro 1.000 Einwohner (jährlich nur 32 Geburten bei 8.186 Einwohnern), Kapellenberg (4,8) sowie drei Stadtteile des Fritz-Heckert-Gebiets im Süden der Stadt: Morgenleite mit 5,4 Geb. pro 1.000 EW, Markersdorf mit 5,1 und Helbersdorf mit 5,0 (jeweils im Zeitraum 1994-2022) - allesamt Stadtteile mit großen Wohnungsbeständen, die zu DDR-Zeiten gebaut wurden. Die Daten deuten darauf hin, dass die Stadtteile in den letzten drei Jahrzehnten konstant eine ältere Bevölkerungsstruktur aufgewiesen haben. Hier sollte jedoch keinesfalls von einer geringeren "Familienorientierung" der dortigen Bevölkerung ausgegangen werden. Wer die Geburtenzahlen zu DDR-Zeiten in Chemnitz kennt, der weiß, dass diese damals - absolut betrachtet - deutlich höher lagen. Es ist davon auszugehen, dass die geringen Geburtenzahlen in den genannten Stadtteilen darauf zurückzuführen sind, dass die lokale Bevölkerung ihre Kinder bereits in den Jahrzehnten davor bekommen hat. Am Beispiel der Stadtteile des Heckert-Gebiets kann man somit am deutlichsten erkennen, dass manchmal selbst ein Betrachtungszeitraum von 30 Jahren nicht ausreicht, die ganze Wahrheit zu erzählen.

 

Die folgende Grafik zeigt die Geburtenrate für alle Stadtteile, verdeutlicht dabei eindrucksvoll die Unterschiede: innerstädtisch liegen die Geburten pro 1.000 Einwohner im Zeitraum 1994-2022 bis zu 100 % über denen am Stadtrand. In Hilbersdorf, Schloßchemnitz, Kaßberg, Lutherviertel und Sonnenberg wurden - jeweils pro 1.000 Einwohner gerechnet - die meisten Babys registriert. Stadtteile im Speckgürtel der Stadt (mit hohen Eigentumsquoten) verzeichnen weitaus weniger Geburten, wohl vordergründig deshalb, weil ein Umzug in diese Stadtteile erst dann erfolgt, wenn die Familien sich konsolidiert haben und ein Umzug in eine größere Wohnung/ ein Haus auch finanziell besser abbildbar ist (z. B. Stelzendorf mit 5,9 oder Reichenhain mit 5,5). Schlussendlich sind die unterschiedlichen Geburtenraten in den Stadtteilen Ausdruck der unterschiedlichen Bevölkerungsstrukturen, wobei vor allem Altersstrukturen, aber auch sozioökonomische Faktoren eine Rolle spielen.


Sonderfall Zentrum: Entwicklung der Geburten in den Stadtteilen 1994-2022

Die dynamische Geburtenentwicklung in den letzten drei Jahrzehnten zeigt sich auch beim Blick auf die reinen Geburtenzahlen der zehn geburtenstärksten Stadtteile im Zeitraum 1994-2022. Obwohl gesamtstädtisch in den letzten Jahren - beginnend 2018 - rückläufige Geburtenzahlen (teilweise der Chemnitzer Demographie geschuldet, teilweise aber auch europaweit zu beobachten) gemessen wurden, gibt es auf Ebene der Stadtteile ein Teilgebiet, das sich gegen den Trend stemmt: so konnte im Jahr 2022 erstmals der Stadtteil Zentrum nicht nur die meisten Geburten verzeichnen, sondern seine hohen Werte stabilisieren (während die umliegenden Teilgebiete Rückgänge verkraften mussten). Der Kaßberg, der aufgrund seiner Bevölkerungszahl und seiner Bevölkerungsstruktur jahrelang die Nr. 1 bei den Geburten war, "rutschte" nun sogar auf Rang 3 ab, wurde ebenfalls vom Sonnenberg überholt. Bei den Geburten pro 1.000 Einwohnern liegt – betrachtet man die letzten fünf Jahre – weiterhin das Lutherviertel vorn, wurde im Jahr 2022 allerdings ebenfalls erstmalig vom Zentrum (13 Geb. pro 1000 EW) überholt. Die Zahl der Geburten pro 1.000 Einwohner ist innerstädtisch weiterhin annähernd doppelt so hoch wie am Stadtrand, da die kernstädtische Bevölkerung im Schnitt deutlich jünger ist. Altert eine Stadtteilbevölkerung (bzw. nimmt die Zahl der Personen im Familiengründungsalter ab – am besten sichtbar am Beispiel Kaßberg), sinken fast schon automatisch die Geburtenzahlen. Verjüngt sich ein Stadtteil (zumeist durch Zuzug, siehe Zentrum) und nehmen die Einwohnerzahlen zusätzlich zu, steigen die Geburtenzahlen deutlich.


Quellen und Hinweis:

  • Stadt Chemnitz - Amt für Informationsbearbeitung, Abt. Statistik, Wahlen: Stadtteile Chemnitz (verschiedene Ausgaben aus den Jahren 1997-2022)
  • Semantisch-inhaltlicher Hinweis: Die allermeisten Kinder werden nicht in ihrem Stadtteil, sondern in Krankenhäusern geboren, im Falle von Neu-Chemnitzern zumeist im Klinikum Chemnitz (Stadtteil Altendorf) oder im DRK-Krankenhaus Rabenstein. Aber auch andere Krankenhäuser im Umland von Chemnitz haben ihren Beitrag geleistet (z. B. jenes in Hartmannsdorf). Via Geburtsurkunde/Standesamt und Einwohnermelderegister werden die Babys dann an einer Adresse (an)gemeldet (zumeist elterliche Wohnung), die wiederum einem Stadtteil zugeordnet ist. So entsteht die Statistik "Geburten in den Stadtteilen". Ein im DRK-Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein geborenes Kind, dessen Eltern aus Frankenberg kommen, zählt nicht als Geburt der Stadt Chemnitz (und fließt folglich in keine Stadtteil-Statistik ein), sondern wird kommunalstatistisch als Geburt in Frankenberg gezählt. Anders formuliert: nicht jede Geburt in einem Chemnitzer Krankenhaus ist automatisch eine Geburt der Stadt Chemnitz und seiner Stadtteile.
  • (Roh-)Daten zu den Geburten in Chemnitz: Geburten Gesamtstadt | Geburten Stadtteile